Dorfkind
Ich bin in der Stadt aufgewachsen.
Allein mit meiner Mama in einer Drei-Zimmer Wohnung der Genossenschaft, um uns herum noch viel mehr Wohnblöcke.
Manches Wochenende und jeden Montag ging es raus aufs Land zu Oma und Opa und Nudeln mit Tomatensauce. Abends, durfte ich bei meinen geliebten Großeltern übernachten, sammelten wir die Schnecken von den Beeten, im Herbst suchten wir Pilze, im Sommer saßen wir in der Laube direkt neben der Werkstatt, Obstkuchen essend.
Immer glücklich und müde von der vielen Sonne und der frischen Luft, dem Pferd- Spielen mit meiner Cousine musste meine Oma trotzdem im Dunkeln und im Bett neben mir leise Lieder aus der Kirche singen. Nur so konnte ich einschlafen, mit „Maria, meine Königin“ in den Ohren und bevor meine Oma zu schnarchen begann.
Jetzt, schon lange nicht nur Nudeln und Tomatensauce auf der Wunschliste und dem Handy abends zum Einschlafen neben mir, aus Büchern vorlesend, alleine im Bett und ohne die witzigen Bemerkungen meines Opas.
Wenn ich zur Tür gerannt kam, weil ich sein Auto schon gehört und seine Ankunft sehnsüchtig erwartet hatte und er bestürzt und ganz ernst fragte, meine kleinen Händen in seinen rauen, ob ich mir meine Finger eingezwickt hätte. Ich kicherte. „Nein, Opa! Die habe ich doch nur rot lackiert“, erklärte ich stolz.
Jetzt wohnen wir in dem Haus, das seit drei Jahren dort steht, wo wir früher mit unseren imaginären Pferden Performances für eine strenge Jury und zu Dancing Queen übten. Meine Oma meistert ihr Leben schon lange alleine und wir sind – keine Zugroaßten mehr, sondern hier, im 300 Seelen Dorf schon immer irgendwie zu Hause – angekommen.
Jetzt gehe ich alleine zum Schwammerl suchen und schenke sie dann meiner Oma, weil ich sie doch eigentlich viel lieber finde als esse. Jetzt sehe ich aus meinem Fenster nicht länger den Parkplatz, sondern den Waldrand.
Ein Stadtkind am Dorf. Was nennst du Heimat?